2000 | 98 Min. | Kinodokumentarfilm WDR/arte Filmstiftung NRW

Russlands Wunderkinder

Kein anderes Land hat in 20. Jahrhundert so viele Klaviervirtuosen hervorgebracht wie Russland. Der Film begleitet vier hochbegabte Kinder an der Zentralen Musikschule am Moskauer Konservatorium. Er zeigt, wie Wunderkinder zu Pianisten der Superklasse ausgebildet werden und welche menschlichen Dramen sich dahinter verbergen.

Sie heißen Lena, Nikita, Ira und Mitja. Sie meistern mit Bravour Konzertauftritte, die selbst Nerven von erwachsenen Pianisten ruinieren würden. Wenn sie auf dem Flügel Triller, Läufe und Sprungkaskaden hinzaubern, ist man fassungslos: So unglaublich ist die Reife, mit der diese Kinder die schwierigsten Klavierwerke interpretieren. Es ist ein Wunder, hinter dem jedoch mehrstündiges tägliches Üben und eine große Tradition stehen.
Die Wurzeln dieser Tradition findet man in den dreißiger Jahren: Mitten im stalinistischen Terror wurde die Musikerziehung in den Rang einer Staatsaufgabe erhoben. Kein anderes Land hat seitdem so viele Virtuosen hervorgebracht wie Rußland. Damals öffnete auch die Zentrale Musikschule am Moskauer Konservatorium ihre Türen: Bis heute noch die begehrteste Bildungsstätte im Lande. Aus allen Teilen Rußlands pilgern Eltern mit ihren Kindern hierher, mit der Hoffnung in den Kreis der Auserwählten aufgenommen zu werden. Gestern wie heute, trotz Wirtschaftskrisen, Armut und Not.
Auch Ira, Mitja, Nikita und Lena sind Schüler an dieser Schule. Der Widerspruch zwischen dem künstlerischen Anspruch und den Umständen, unter denen sie lernen und leben, könnte nicht größer sein. Lena, die seit ihrem neunten Lebensjahr Konzerte in der ganzen Welt gibt, hat nicht einmal ein eigenes Klavier zum Üben. Inzwischen siebzehnjährig, erlebt sie das Drama, was vielen Wunderkindern widerfährt: Groß geworden, sind sie plötzlich nicht mehr begehrt – es gibt viele erwachsene Musiker der Superklasse.
Der Film begleitet diese hochbegabten Kinder, die so untypisch für den Westen sind: von ihrer Arbeit und der Musik besessen und in dieser Hingabe wie aus einer prähistorischen Zeit erscheinend. Nicht wegzudenken von dieser intensiven Beschäftigung mit klassischer Musik ist der Moskauer Alltag mit seinen sozialen Verwerfungen: Den fruchtbar-furchtbare Boden, auf dem immer wieder unglaubliche Talente erblühen.

Dmitrij Krutogolovy

Nikita Mndoyants


Lena Kolesnitschenko mit Papst Johannes Paul II

Filmpremiere in Moskau 2000