2019 | 90 Min. | TV-Dokumentarfilm WDR/MDR, Film- und Medienstiftung NRW

Russlands Millenniumskinder

Am 31. Dezember 1999 begann die politische Ära von Wladimir Putin. Die um die Jahrtausendwende geborenen Kinder sind jetzt volljährig. Der Film begleitet Millenniums-Jugendliche unterschiedlicher Milieus an verschiedenen Orten Russlands und geht den Fragen nach: Wie ist die Generation, die unter Putin aufgewachsen ist? Was kann die Welt von der Jugend Russlands erwarten?

Wenige Stunden vor den Millenniumsfeierlichkeiten am 31. Dezember 1999 trat Präsident Boris Jelzin zurück und ernannte Wladimir Putin zum Interimspräsidenten. In seiner ersten Neujahrsansprache versicherte das neue Staatsoberhaupt dem russischen Volk: „Die Redefreiheit, Gewissensfreiheit, Pressefreiheit und die Eigentumsrechte, alle Grundelemente einer zivilisierten Gesellschaft wird der Staat zuverlässig schützen.“ Zwanzig Jahre danach ist von diesen Versprechungen wenig übrig. Immer mehr Bürger, vor allem Jugendliche, demonstrieren gegen die Staatsmacht und das autoritäre System Putin.
Die Kinder, die an dem Tag und in der Zeit um die Jahrtausendwende geboren wurden, kennen nur den Ex-KGB Mann Wladimir Putin im Himmel der Macht. Doch ähnlich wie ihre Gleichaltrigen im Westen gehören sie zur Internetgeneration, haben Zugang zu Informationen, die in den staatlich gelenkten Medien Russlands keinen Platz haben. Wie denkt und fühlt die Generation-Putin? Wie möchte sie in dem scheinbar erstarkten, aber trotzdem unstabilen Land leben?
Von St. Petersburg bis Ostsibirien begleitet der Film unterschiedliche Vertreter dieser Generation: Vom glühenden Verehrer Putins, der es für richtig hält, dass die staatlich gesteuerte Propaganda einen Mythos um den ewigen Herrscher erschaffen hat, bis zu einer leidenschaftlichen Aktivistin der Opposition, die Putin und seine Unterstützer für eine ‚kriminelle Bande‘ hält, die mit verbrecherischen Methoden Reichtum angehäuft hat und das Volk verarmen lässt. 
Der Film taucht in die Lebenswelten der Jugendlichen ein, zeigt Impressionen aus einer mit Stacheldraht umzäunten geschlossenen Stadt in Sibirien, aus dem impulsiven Moskau und einem muslimischen Dorf in Tatarstan. Das russische Bildungswesen wird in einem Polizeigymnasium oder bei der Ausbildung zum Koch sichtbar, die Methoden der Propaganda werden in einem Seminar für Journalistik-Studenten augenfällig. 
Aus der Perspektive von Millenniumskindern, im Spannungsfeld von Privatem und Politischem, ist ein dichtes differenziertes Porträt der ‚Generation-Putin‘ entstanden.

Directors Statement „Russlands Millenniumskinder“
von Irene Langemann

Die Meldungen zum Thema ‚Russische Propaganda manipuliert überall‘ überschlugen sich in den vergangenen Jahren. Russland mischte sich in illegitimer Weise in Wahlen anderer Länder ein, russische Trolle beeinflussten die niederländische Abstimmung über das Ukraine-Abkommen, sie befeuerten britische Brexit-Befürworter und katalanische Separatisten. Auch im eigenen Land arbeitet die Propaganda-Maschine seit der Annexion der Krim auf Hochtouren. Das russische Fernsehen trichtert Erwachsenen wie Kindern antidemokratische Ressentiments ein, diffamiert westliche Medien. Nun hat das russische Parlament sogar ein Gesetz verabschiedet, das im Ausland registrierte Medien als ‚ausländische Agenten‘ einstufen darf.
Die Propaganda wirkt, auch wenn sie den Erfahrungen der Menschen widerspricht. Selbst bei langjährigen russischen Freunden, Künstlern und Akademikern, erlebe ich die Folgen der flächendeckenden medialen Gehirnwäsche. Diese Gegebenheit werde ich zum Ausgangspunkt für die Recherchen über die Kinder der Putin-Ära nehmen und der Frage nachgehen, wie die Internet-Generation, die Englisch spricht und sich jederzeit im Netz informieren kann, damit umgeht. Und gibt es Jugendliche, die dieser Propaganda standhalten können?
Meine Vorgehensweise bei der Auswahl der Protagonisten habe ich im Exposé beschrieben. Drei-vier potentielle Protagonisten werde ich während der Recherchen mit dem Kameramann Maxim Tarasjugin begleiten, mit dem ich schon mehrere Filme in Russland realisiert habe. Daraus wird ein Teaser entstehen.
Ich habe eine kritische Faszination für das Land, in dem ich viele Jahre gelebt habe. Über die gesellschaftlichen Hintergründe von Putins Russland und die Freiheit des einzelnen Menschen gegenüber der Staatsmacht habe ich bereits zwei Filme gemacht: „Rubljovka“, der über die Wohngegend von Wladimir Putin und der neureichen Russen erzählt, und „Pawlenski – Der Mensch und die Macht“, über den Protest eines Politkünstlers gegen den repressiven Staat. „Generation Putin“ könnte der dritte Teil einer Trilogie über Putins Russland werden.

Gleb Astafjew

Kamilla Jarytschewa beim Nemzow-Gedenkmarsch 2019

Madina Scharipowa zu Besuch bei ihrer Großmutter in Tatarstan

Polina Dudina

Andrej Nasyrow

Madina Scharipowa

Filmpremiere in Moskau Dezember 2019